Klopstock – in Schulpforte
Die Landesschule Pforte, 1543 gegründet, bildete begabte Knaben in einer sechs Jahre währenden Schulzeit aus. Die Aufnahme erfolgte unabhängig von der sozialen Herkunft nach Leistung. Unter strenger Observanz und in sehr einfachen Internatsunterkünften (ehemalige Mönchszellen) lebten und arbeiteten im 18. Jahrhundert ca. 150 Schüler in Schulpforte.
Übertretungen der Ordnung wurden mit einem umfangreichen Strafenkodex geahndet. Der Unterricht, der sich hauptsächlich auf die alten Sprachen konzentrierte, war auf spätere wissenschaftliche Arbeit in allen Bereichen ausgelegt.
Eine Abschlussprüfung gab es zu Klopstocks Zeit nicht. Alle halben Jahre fanden Prüfungen statt und im letzten Jahr wurde von den Schülern eine Abschlussarbeit, eine sogenannte Valediktion, eingereicht.
Am 09. September 1739 bewarb sich der Kommissionsrat Klopstock in Quedlinburg für seinen Sohn bei dem Rat der Stadt Naumburg um eine der Naumburger Freistellen in Schulpforte. Normalerweise hätte Klopstock als Einwohner Quedlinburgs keine Stelle in Pforte erhalten können. Doch der Stiftskanzler zu Zeitz, Johann Christoph Zeumer, hatte sich schon vorher beim Rat der Stadt Naumburg für Klopstock eingesetzt und so wurde das Gesuch des Vaters umgehend bewilligt.
Zeumer war selbst um 1700 Schüler in Pforte gewesen, stammte aus Langensalza und war ein entfernter Verwandter von Klopstocks Mutter Anna Maria, geb. Schmidt.
Mit der Vergabe der Freistelle an ihn stand dem damals 15jährigen Klopstock nun die Aufnahmeprüfung für die Schule bevor, auf die er sich schon seit dem Sommer auf Anraten seines Vaters vorbereitete. Er lernte, wie er sich später erinnerte, wirklich im Schweiße seines Angesichts, da er sich den ruhigen, aber im Sommer eben furchtbar heißen Oberboden seines väterlichen Hauses zum Studienort für Latein und Griechisch ausgesucht hatte. Das Schwitzen zahlte sich aus.
Als Klopstock am 6. November 1739 in Pforte zur Aufnahmeprüfung erschienen war, setzte ihn der Rektor der Schule in den Versammlungsraum der Lehrer und gab ihm drei Stunden Zeit zur Übersetzung eines Textes. Klopstock löste die Aufgabe vor Ablauf der Zeit und fehlerlos. Nach einer kurzen mündlichen Prüfung im Griechischen, die er ebenfalls bestand, wurde er in die dritte Klasse (Tertia) aufgenommen, zählte aber da bereits zu den oberen (= besseren) Schülern.
Obgleich ein Neuankömmling, fehlte es Klopstock nicht am nötigen Selbstbewusstsein, um innerhalb der nur aus Jungen im Alter von ca. 11 bis 20 Jahren bestehenden Schülergemeinschaft akzeptiert zu werden.
Noch während er auf das Ergebnis seiner Aufnahmeprüfung wartend im Kreuzgang stand, versuchte ein Schüler, ihn wegen seines Namens zu verspotten. Doch Klopstock sah den Spötter fest an, machte eine entsprechende Handbewegung und sagte nur: „Ja, Klopstock heiße ich!“ Auch sonst zeigte sich Klopstock stolz und eigenwillig. Er hielt es für unter seiner Würde, dem Sohn des Rektors, der sein Mitschüler war, nachzulaufen, wie es viele Klassenkameraden taten und auch dem Rektor selbst sagte er seine Meinung, wie eine Anekdote überliefert: Vor versammelter Schülerschaft soll Klopstock dem Rektor gesagt haben, dass er die ihm aufgegebene Rede nicht angefertigt hätte, weil ihm das Thema nicht zusagte.
Diese und weitere Berichte entstammen dem Buch „Critische Briefe an vertraute Freunde“ von Klopstocks Mitschüler, Johann Daniel Andreas Jaehnisch (Janozki), der darin Klopstocks Einfalt und Unschuld seiner Sitten rühmte, in seinen Unterredungen Freundschaft und Vorsicht verbunden fand und in seinem Umgang treue Liebe zu aufrichtigen Freunden und Großmut gegen Neider.
Doch ein Musterschüler war Klopstock keineswegs. Seine Liebe galt den alten Sprachen nur soweit, als sie ihm dazu dienen konnten, sich über das Wesen der Poesie klar zu werden und an die Einschränkungen, die das Pförtner Schülerleben mit sich brachte, konnte er sich vermutlich schlecht gewöhnen.
Im Strafbuch der Synode finden sich daher auch mehrere Einträge über seine „Vergehen“. Er hielt sich mehrfach im Schulgarten auf, obwohl das verboten war und wurde dafür anfangs mit Carenen (Essensentzug) und später mit einem Tag Karzer bestraft. Er soll bei diesem Aufenthalt im Karzer an die Wand zu den bereits dort stehenden Namen folgende Verse geschrieben haben:
„Mich schreibt die Nachwelt einst in ihre Bücher ein,
drum soll mein Name nicht bei diesen Namen seyn.
Verlöscht die stolze Schrift, sobald ihr sie gesehn,
und sprecht: so werden wir auch mit der Zeit vergehn.“
Gefährlicher war dagegen seine Teilnahme an einer großen Schlägerei im Schulgarten zwischen Primanern und Sekundanern im April 1742. Da den „Haupthelden“ dieser Prügelei der Ausschluss aus der Schule drohte, kündigte Klopstock dies seinem Vater schon einmal brieflich an. Offensichtlich billigte der Vater nicht nur das Verhalten seines Sohnes, sondern war stolz darauf, dass er sich so gut gehalten hatte und antwortete in der Weise : „… wenns nicht anders sei, möge dieser nur immer heimkommen.“ Doch er gehörte nicht zu den drei Schülern, die von der Schule entfernt wurden, sondern kam mit vier Carenen davon.
Klopstocks Begabung zum Dichten muss schon sehr zeitig ausgeprägt gewesen sein, denn zum einen übertraf er nach dem Urteil seines Mitschülers Janozki beim Verfassen von Schäfergedichten die Leistungen der anderen Schüler und zum anderen erlaubte ihm der Rektor bei einer Redeübung am Karfreitag, sich seinen Stoff dafür selbst auszuwählen, was sonst nicht üblich war. Klopstock legte die in alexandrinischen Versen verfasste Rede dem Mathematikus Hübsch vor, der auch Vorlesungen über Poesie hielt.
Hübsch war der Meinung, dass kein Mensch die Arbeit verstehen könnte, während der Rektor nur ein einziges Wort ändern wollte und ihm erlaubte, die Rede zu halten.
In seinen Dankesworten beim Abschied von der Schule (Velediktion) hebt Klopstock hervor, wieviel er der Sorge der Lehrer und ihrem gelehrten Unterricht verdankt. Am meisten beeindruckte ihn jedoch das vorgelebte Beispiel ihrer Tugend, für das er ihnen ewig dankbar war.
„Nimmer! Nimmer werd` ich dieser höchsten Art der Wohlthat vergessen ; und mich stets mit dem dankbarsten und unauslöschlichsten Andenken erinnern, daß ich so glücklich gewesen bin, durch euer Muster belehrt, den Weg der Weisheit betreten zu haben.“
Der Einfluss einiger Lehrer der Anstalt auf den jungen Klopstock war demzufolge nachhaltig. Bereits genannt wurde der Rektor der Landesschule, Friedrich Gotthilf Freytag (1678-1761), der Klopstocks Dichtkunst zu schätzen wusste.
Auch der geistliche Inspektor der Schule, Johann Joachim Gottlob Am-Ende, der als liebenswürdiger Mann die Herzen aller Schüler gewonnen haben soll, beeindruckte Klopstock.
Beim Diakon Christoph Haymann (1709-1783) war Klopstock Famulus. Haymann wurde von seinen Schülern als ein aufrichtiger und beständiger Erforscher der göttlichen und menschlichen Wahrheiten geschätzt und soll ein eindringlicher Kanzelredner und anregender Gesellschafter gewesen sein. Möglicherweise war es Haymann, der dem nach einem geeigneten Stoff für sein Epos suchenden Klopstock empfahl, er sollte doch den Helden aus Juda recht würdig zu besingen suchen.
Von all seinen Lehrern am meisten aber verehrte Klopstock den damaligen Konrektor Johann Friedrich Stübel. (vgl. Klopstockfeier 1800)
Seit 1730 in Pforte, starb Stübel während Klopstocks Schulzeit nach schwerem einjährigen Leiden am 12. Oktober 1742 im Alter von 50 Jahren. Auch Stübel wird es zugeschrieben, dass er Klopstock empfahl, den Gegenstand für sein geplantes Werk nicht im „alten Heidentum“ zu suchen, sondern als Christ den Messias als „Gottesheld“ zu wählen.
Der äußerst vielseitig interessierte Mathematiklehrer der Schule, Johann Georg Gotthelf Hübsch (1689-1773), verkannte Klopstocks Talent und urteilte später über ihn:
„Hat eine seltsame deutsche Poesie … und ohne Reyme, od. mit ganz ungewöhnl. Deutsche aufgebracht, wozu er schon hier, alles meines Wiederrathens ungeachtet den Anfang gemacht.“
Trotz mancher Freundschaft, die Klopstock in seiner Schulzeit schloss, schien er doch ein distanziertes Verhältnis zu den meisten seiner Schulkameraden zu haben, wie die Abschiedsworte an seine Mitschüler zeigen:
„Ich habe immer auf euch und euer Leben als in ein Buch von weitem Umfange geblickt; habe mich oftmals bey den dunkelsten Blättern desselben verweilt … Ich habe einige von euch geliebt, weil ein lebhafter und feiner Geist … sie mir liebenswürdig machte. Es gibt andre, die ich deswegen geschätzt habe, weil, ob sie sich gleich nicht über die Mittelmäßigkeit erhoben, sie doch mit ganzem Ernst … einst nützlich zu werden wünschten. Übrigens habe ich keinen; nur die Fehler von einigen gehaßt … . Ob ich nun gleich den vorher genanten meinen vorzüglichsten [ Dank] schuldig bin, so glaube ich doch daß auch diese einiges Dankes nicht unwerth sind; denn sie haben mich die Ungestalt der Fehler desto heller einsehen gelehrt.“
Klopstocks Mitschüler, Johann Daniel Andreas Jaehnisch (Janozki), rühmte in seinem Buch „Critische Briefe an vertraute Freunde“ Klopstocks Einfalt und Unschuld seiner Sitten, fand in seinen Unterredungen Freundschaft und Vorsicht verbunden und in seinem Umgang treue Liebe zu aufrichtigen Freunden und Großmut gegen Neider.
Johann Adolf Schlegel, besuchte zwar in etwa zur gleichen Zeit (1735-1741) die Schule, interessierte sich aber als älterer nicht für den drei Jahre jüngeren Neuankömmling. Klopstock hingegen schrieb später (1748) an ihn:
„Himmel, wie aufmerksam war ich auf Sie, wenn Sie in dem Walde … in einen Baum Verse einschnitten, die ich nach ihrem Abzuge erneuert habe! Aber Sie kannten mich nicht, mein liebster Schlegel.“
Drei Cousins Klopstocks Johann Christian Leisching (al. port. 1738-1744), Karl Gottlob Leisching (al. port. 1740-1745) und Johann Christoph Schmidt (al. port. 1740-1746) waren ebenfalls Mitschüler Klopstocks, wobei ihm besonders letzterer nicht nur in der Schulzeit nahestand, sondern auch während der Universitätsjahre lange sein liebster Freund blieb.
Daneben sind Christian Wilhelm Becker aus Markwerben bei Weißenfels, der von 1740-1745 die Schule besuchte und Johann Joachim Christian Freißleben aus Leipzig zu nennen, der von 1740-1746 Schüler in Pforte war. Mit beiden hatte Klopstock auch noch nach der Schulzeit Verbindung.
Klopstock verbrachte die vorgeschriebene sechsjährige Schulzeit in der Landesschule und hielt im September 1745 vor seinem Abgang eine lateinische Abschiedsrede, seine Valediktion.
Das Thema ihrer Valediktion durften sich die Schüler grundsätzlich frei aussuchen und so wählte Klopstock das, was ihn am meisten beschäftigte – die epischen Dichter. Der 21jährige Abiturient legte in dieser Rede seine Gedanken zur epischen Dichtung dar. Er musterte kritisch die epischen Werke der älteren und neueren Literatur, wobei er sich die Auffassungen Bodmers und Breitingers über das Wesen der epischen Poesie zu eigen gemacht hatte. Die Arbeit mündet in der Erkenntnis, dass Deutschland auf dem Gebiet der epischen Dichtkunst zurückgeblieben sei und in der Aufforderung an die deutschen Dichter, endlich ein repräsentatives deutsches Nationalepos zu schaffen.
„Durch die Sache selbst, durch ein großes unvergängliches Werk müssen wir zeigen, was wir können! O wie wünscht` ich, …, dieses in einer Versammlung der ersten Dichter Deutschlands zu sagen.“
Sehr sicher verstand der junge Klopstock, der Absolvent Schulpfortas, die Forderung an die deutsche Dichtkunst vielmehr schon als Auftrag an sich selbst und gedachte sie alsbald durch seinen Messias zu erfüllen.
Welche Rolle Leben und Werk Klopstocks heute in der Landesschule Pforta spielt, erläutert rectrix portensis Kathrin Volkmann.